Liebe Christen, meckert nicht ständig über alles!

In der Gesellschaft, aber auch in vielen Kirchen und Gemeinden ist Zufriedenheit eine Mangelware. Viele meckern und kritisieren. Woher kommt diese Unzufriedenheit? Welche Folgen hat sie, und wie lässt sie sich überwinden? Antworten darauf gibt Prof. Stephan Holthaus (Gießen).

 Experten sagen: In Deutschland nimmt die Unzufriedenheit zu. Wir nörgeln öfter als früher. Das Erregungspotenzial ist angestiegen. Ich merke es selbst: Bei jeder Nachrichtensendung gibt es Meldungen, über die ich mich empöre. Donald Trump ist ein Beispiel. Was kann man sich über ihn aufregen! Auch die vielen Negativmeldungen über die Entwicklungen der Kirchen kratzen an den Nerven. Das alles kann einen sehr niederdrücken und total unzufrieden machen. Natürlich gibt es Missstände, die wir benennen müssen. Das ist gut christlich und absolut notwendig. Kritik ist gut, Klage ist biblisch. Aber das meine ich nicht. Es geht mir um die um sich greifende chronische Unzufriedenheit, die stark auf den Charakter geht und am Ende die ganze Persönlichkeit bestimmt. Es geht um das ständige Meckern und Kritisieren, ohne noch das Gute zu sehen, ohne konstruktiv auf eine Lösung hinzuarbeiten. Das bestimmt heute viele Kreise, auch in den Kirchen.

Die Deutschen gelten ja generell als Weltmeister des Meckerns. Wir sind ein Volk in Moll, nicht in Dur. Wir sehen immer erst die Probleme, weniger die Chancen. Wir ergötzen uns gerne am (eigenen) Niedergang, an der Negation, sind pessimistisch veranlagt, analysieren gerne die Probleme bis in die Tiefe, statt an der Therapie zu arbeiten. Unsere kollektive Unzufriedenheit zeigt sich in vielen Bereichen. In der Politik nimmt die Zahl der Protestwähler zu. Man macht sein Kreuzchen, um der Regierung eins auszuwischen. Oder man macht seinem Frust in den Kommentarspalten der Sozialen Medien Luft. Es wird gelästert und „abgerotzt“, entschuldigen Sie diesen Ausdruck. Übrigens manchmal auch von Christen. Aus jeder Zeile spricht tiefe Unzufriedenheit, manchmal sogar Wut und Zorn.

Schuld sind „die da oben“
Warum sind wir so unzufrieden? Zum einen, weil wir unglaublich verwöhnt sind. Den meisten von uns geht es sehr gut. Oder zu gut? Wir klagen auf unheimlich hohem Niveau, lamentieren über Kleinigkeiten. Ich habe es selbst gemerkt: Bei mir kommt seit ein paar Tagen die Tageszeitung morgens erst um 7.30 Uhr. Das geht natürlich gar nicht! Was ist denn mit dem Zusteller los? Ich habe gleich eine deutliche Nachricht an die Zeitung geschickt. Unerhört! Ich könnte noch viele Beispiele nennen.

Das deutsche Gemeckere ist übrigens für Leute, die nicht aus Deutschland kommen, irritierend. Wir lästern zum Beispiel gerne über die Bahn. Als wir neulich in einer Gruppe mal wieder unsere Unzufriedenheit über Zugverspätungen, -ausfälle und verpasste Anschlüsse genüsslich ausbreiteten, sagte uns ein Student aus Paraguay: „Ich wundere mich, dass ihr ständig über die Bahn schimpft, denn wir haben überhaupt keine. Es gibt zwar eine Bahnstrecke, aber die ist vor 15 Jahren stillgelegt worden.“ Danach Schweigen im Wald.

Hinzu kommt: Wir sind oft mit allem und jedem unzufrieden, weil wir mit den eigenen Problemen nicht zurechtkommen. Schuld sind dann „die da oben“, die Politiker, der Chef, vielleicht der Ehepartner oder die Ältesten in der Gemeinde. Statt unsere Eigenverantwortung zu erkennen, zu sehen, dass auch wir das Volk, Teil der Firma und der Gemeinde sind, schieben wir die Schuld an allem auf andere. Hinter der Unzufriedenheit mit der Welt steckt nicht selten meine eigene Unzufriedenheit mit mir.

Chronische Unzufriedenheit macht krank

Manchmal stecken wir uns einfach zu hohe Ziele. Perfektionisten sind häufig unzufrieden, weil die selbst gesteckten Ideale des Lebens unerreichbar sind. Der Selbstoptimierungswahn der Gegenwart verstärkt diesen Trend. Die Medien spiegeln uns vor, dass wir schön sein sollen, erfolgreich, beliebt. Deshalb vergleichen wir uns automatisch mit den Idealen. Dadurch werden die eigenen Defizite schonungslos offenbar. Ich erreiche den Standard nicht! Das macht unzufrieden.

Unzufriedenheit ist wie ein Krebsgeschwür, das jede Gruppe und auch Gemeinden nach unten ziehen kann. Nicht wenige Gemeinschaften, besonders die der „Rechtgläubigen“, sind stark von negativem Denken geprägt, auch von schlechtem Reden über andere. Ein solches Klima zerstört jede Beziehung und macht jede Gemeinschaft unattraktiv. Dabei müssen die Unzufriedenen gar nicht die Mehrheit sein. Manchmal sind es nur wenige, die alles zerstören.

Dazu kommt: Menschen, die chronisch unzufrieden sind, leiden oft unter Realitätsverlust. Sie sehen plötzlich die Welt nur noch schwarz. Oft höre ich dann den Satz: „Früher war alles besser.“ Auch ich habe ihn oft schon verwendet. Es tut einfach gut, so was rauszuhauen. Aber natürlich ist das (meistens) Unsinn und eher Ausdruck eines schlechten Gedächtnisses. Wir haben einfach vergessen, dass es uns früher in vielen Bereichen viel schlechter ging als heute.

Menschen, die chronisch unzufrieden sind, haben zudem oft eine negative Ausstrahlung. Mit denen möchte eigentlich keiner etwas zu tun haben, auch nicht in der Gemeinde. Unzufriedene Gemeinden ziehen zudem niemanden an. Außerdem haben Mediziner festgestellt: Je unzufriedener ein Volk ist, desto kränker ist es. Chronische Unzufriedenheit geht auf den Blutdruck, begünstigt Magengeschwüre, macht krank.

Biblische Beispiele

Unzufriedenheit ist so alt wie die Menschheit. Die allererste Unzufriedenheit war die von Adam im doch eigentlich so paradiesischen Garten Eden. Er war sauer auf seine Frau Eva, beschwerte sich, weil sie ihm die Frucht gegeben hatte, statt seine eigene Schuld und Verantwortung zu sehen (1. Mose, Kapitel 3). Ein Kapitel weiter: Kain ist unzufrieden, weil Gott das Opfer seines Bruders Abel angenommen hatte, aber seines nicht. Kain vergleicht sich. Oder Noah: Da waren ja die Leute mit ihm unzufrieden, weil Noah ein Gerechter war (Kapitel 6). Es gibt auch Situationen, bei denen wir die Unzufriedenheit der Menschen aushalten müssen, weil wir zu Gott gehören. Das klassische Beispiel einer chronischen Unzufriedenheit ist das Volk Israel, nachdem Gott es wunderbar aus der Sklaverei Ägyptens geführt hat. Das Volk murrte gegen Gott (vgl. 2. Mose 14,12). „In Ägypten ging es uns besser“ – welch ein Realitätsverlust! Auch Jona war unzufrieden. Als Ninive umkehrte, war er trotzdem frustriert und schmollte in der Ecke (Jona 4,1–2). Es gibt viele biblische Beispiele für Menschen, die tief unzufrieden waren. Und diese Unzufriedenheit hatte ganz viel mit ihrem inneren Leben, mit ihrer Seele zu tun. Sie waren innerlich zutiefst unglücklich.

Das beste Rezept für Zufriedenheit

Meckern gehört sich nicht für Christen. In Philipper 2,14 schreibt der Apostel Paulus ernst und deutlich: „Verbannt alle Unzufriedenheit aus eurer Mitte.“ Als er dies schrieb, saß er nicht am Schreibtisch, sondern im Gefängnis – und murrte nicht, sondern strahlte tiefe Zufriedenheit aus. Warum: Er wusste, wie reich er in Christus beschenkt war. Er schaute auf sein Leben aus dem Blickwinkel der Ewigkeit, er blickte von oben auf sein Leben und hatte einen klaren Blick dafür bekommen, was er alles in Christus hatte.
 
Das beste Rezept gegen Unzufriedenheit ist Dankbarkeit. Gerade wir Christen haben allen Grund dafür. Wir sind Kinder Gottes. Wir sind Erlöste. Wir sind reich Beschenkte. Zudem leben wir hier in Wohlstand und noch im Frieden. Dankbare Menschen meckern nicht. Dankbare Menschen sind Leute, die eine andere Perspektive für ihr Leben bekommen haben. Wir haben in Deutschland mehr, als wir brauchen. Und vielleicht könnten wir auch beim nächsten Einkauf bei „Rewe“ oder „Edeka“ einfach mal Gott danken für die Auswahl, für das, was wir haben – und nicht darüber schimpfen, dass gerade die Lieblingsleberwurst wieder mal ausgegangen ist.

Dankbarkeit brauchen wir auch für unsere oft geschundenen Gemeinden. Ich höre viel Kritik, und manches ist berechtigt, aber manches auch nicht. Dankbar sein für die Pastoren, Ältesten und Mitarbeiter, die bereit sind, sich für uns einzusetzen – das wäre doch mal was! Weniger meckern, mehr danken! Dankbarkeit ist die beste Prophylaxe gegen chronische Unzufriedenheit.

Was im Leben trägt

Wir haben an der Freien Theologischen Hochschule Gießen einige Studenten aus anderen Ländern. Eine, mit koreanischen Wurzeln, antwortet mir immer auf meine Frage, wie es ihr gehe: „Ich bin im Frieden.“ Das bewegt mich jedes Mal. „Ich bin im Frieden.“ Wer im Frieden Gottes lebt, kennt keine Unzufriedenheit. Er lebt in tiefer Dankbarkeit, als Beschenkter. Es ist wie in dem alten Heilslied „Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt“ von Horatio Spafford (1828–1888). Er war einer, der große Schicksalsschläge erlebt hatte, der alle seine Kinder durch ein schreckliches Schiffsunglück verlor – einer, der wirklich hätte unzufrieden sein können. Er klagte, aber murrte nicht. Er wurde getragen vom Frieden Gottes. Deshalb konnte er am Ende des Liedes dichten: „Mir ist wohl in dem Herrn.“

Uns fehlt oft dieser Friede Gottes in unserem Herzen, der Blick von oben, die Dankbarkeit, die Ewigkeitsperspektive für unser Leben. Wir brauchen aber gerade heute Christen, die bei allem Elend der Welt Zufriedenheit ausstrahlen, weil sie gehalten werden aus der Ewigkeit. Diesen Frieden von oben wünsche ich uns allen, unseren Gemeinden, unserem Land, auch mir. Dann können auch wir antworten: „Ich bin im Frieden.“ „Mir ist wohl in dem Herrn.“

Prof. Stephan Holthaus 
ist Rektor der Freien Theologischen Hochschule Gießen.

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Die Bibel über Zufriedenheit

Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden; ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht. – Philipper 4,12-13

Ein großer Gewinn aber ist die Frömmig­keit zusammen mit Genügsamkeit. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; darum können wir auch nichts hinaus­bringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so wollen wir uns damit begnügen. – 1. Timotheus 6,6-8

Seid nicht geldgierig, und lasst euch genügen an dem, was da ist. Denn er hat gesagt: „Ich will dich nicht verlassen und nicht von dir weichen.“ – Hebräer 13,15

Spricht zu ihm Philippus: Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns. – Johannes 14,8
Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. – 1. Thessalonicher 5,16-18

Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. – 1. Chronik 16,34

Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn. – Kolosser 3,17

Und der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. – Kolosser 3,15

Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen. – Römer 11,36