Jesus-Wort an seine Nachfolger:

Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.

Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.       

Matthäus-Evangelium, Kapitel 10, Vers 16

Klug wie die Schlange! Mit diesem Gruß beglückwünschte mich zum Jahresbeginn ein chinesischer Christ zum chinesischen Jahr der Schlange. Ich lachte, doch schnell wurde mir klar, dass für ihn diese Worte nicht nur ein Segenswunsch, sondern eine Lebenshaltung waren. In Asien begegnete ich Christen, die unter Verfolgung leiden. Ihre Reaktion? Keine Resignation, sondern Entschlossenheit: „Dann müssen wir eben andere Wege finden.“ Sie wichen nicht aus, sondern fanden neue, oft überraschende Wege, um das Evangelium weiterzugeben, mit Klugheit und Unschuld zugleich.
 
Geistliche Klugheit statt Verstecken
Jesus sandte seine Jünger wie Schafe unter die Wölfe. Schafe sind wehrlos, und Wölfe lauern überall – doch Jesus befiehlt nicht, sich zu verstecken. Er ruft zu einer paradoxen Haltung: klug sein wie Schlangen, arglos wie Tauben. Die Schlange, ein Symbol für Weisheit und List, weicht Gefahren aus und überlebt durch Anpassungsfähigkeit. Die Taube steht für Reinheit und Treue. Diese beiden Pole sind schwer zu balancieren – Weisheit ohne Heuchelei, Unschuld ohne Naivität. Doch genau diese Spannung macht das Evangelium lebendig.
 
Mission braucht auch Weisheit
Von asiatischen Christen können wir lernen. Sie haben eine Gabe: Flexibilität in widrigen Umständen, Unterscheidungsvermögen zwischen Kontexten, Mut zur prophetischen Stimme – und Weisheit zur Kompromissbereitschaft, wenn es um Wege, nicht um das Evangelium geht. Auch in Deutschland brauchen wir diese Haltung: ein Zeugnis, das weder verwässert noch verhärtet. Denn Mission geschieht nicht nur dort, wo viele Schafe sind – sondern mitten unter den Wölfen.


Tianji Ma

ist Mitarbeiter der Missionsgesellschaft OMF International (früher China-Inland-Mission) mit Sitz im mittelhessischen Mücke.